Was für ein Fisch?! Völlig anders in Aussehen und Verhalten im Vergleich zu den auf spezielle Flossenformen hochgezüchteten langflossigen Siamesischen Kampffischen. Riesige rot gefärbte Brustflossen mit weißen Spitzen, ein schwarzer Kopf mit roten Kiemendeckelflecken. Immer aktiv und in Bewegung, ständig ein großes Schaumnest in Bereitschaft für ein erhofftes Rendezvous mit einer laichbereiten Partnerin.
Für die große Aquaristik-Ausstellung anlässlich des 60-jährigen Vereinsjubiläums am 10. und 11. Oktober 2009 der „SCALARE-Rosenheim“ im Kolbermoorer Mareissaal hatte ich unter anderem die Aufgabe, ein Kampffisch-Becken einzurichten. 2004 hatte ich voller Stolz einen Bericht über die erfolgreich Zucht der selten anzutreffenden Betta ocellata, den Augenfleck-Kampffisch geschrieben. Leider musste ich feststellen, dass es in unserer Region kaum Liebhaber für solche Tiere gibt. Naja, besonders farbig sind sie nicht und das interessante Verhalten, speziell bei der Pflege ihrer Jungen, sieht man nicht auf den ersten Blick. Ich war damals ziemlich enttäuscht. Mit dierer traurigen Erkenntnis und den Schwierigkeiten, die Tiere für die Ausstellung zu beschaffen, lies ich meinen ursprünglichen Gadanken, maulbrütende Kampffische zu präsentieren fallen. Ich konzentrierte mich dann darauf, schöne schaumnestbauende Kampffische zu beschaffen. Zu meinen Wunschkandidaten gehöterten Betta smaragdina und Betta imbellis. Auf keinen Fall sollten es Betta splendens werden. Ich sollte nie „Nie“ sagen, denn am 12. September 2009 kaufte ich dann bei Frank Korjakin im “ Hagebau Baumarkt Bruckmühl“ doch mehrere Betta splendens. Unter diesen war außer einem sehr schönen rein blau-langflossigen Kamppfischmann ein vermeintliches Weibchen, das sich dann später als ein ganz besonderes Tier herausstellte. Bereits im Verkaufsraum war dieser Fisch von seinen Geschwistern getrennt und in einem anderen Becken untergebracht worden. Natürlich habe ich nicht allzu lange gebraucht, um festzustellen, dass dieser Fisch niemals ein Weibchen ist. Jedenfalls wurde er von Tag zu Tag schöner und vor allem interessanter in seinem Verhalten. In einem 25 Liter Aquarium war er allein mit einem tatsächlichen Weibchen.
Zuchtform: grün und kurzflossig
Es dauerte nicht lange, bis das erste Schaumnest gebaut wurde. Die Ausmaße des Nestes waren gigantisch. Mehr als 10×10 Zentimeter in der Fläche und über 2 Zentimeter Höhe wurde da von einem kleinen Fisch innerhalb eines Tages gebaut. Der Fisch spürte in den Nestbau-Pausen sein Weibchen immer wieder auf, egal wo es sich versteckte. Da ging es ganz schön flink zu. So schnell konnte man nicht schauen, wie beide durch das Aquarium sausten, zwischen den Pflanzen und Steinen hindurch in einen Blumentopf und einen Kokosnussschale hinein und wieder heraus. Es war nie abzusehen, wann das Weibchen den entscheidenden Haken schlägt, um dem Männchen zu entkommen. Nach ein paar Tagen waren dann Eier im Nest und der Jäger war fast ausschließlich damit beschäftigt, das Nest zu vergrößern, zu reparieren und die Eier umzusortieren. Sein Weibchen war währtend dieser Zeit nicht mehr zu sehen und er suchte auch nicht danach. Nachdem die Jungtiere geschlüpft waren, ging der Brutpflegestress erst so richtig los. Die Larven wurden ständig umgebettet und herabsinkende zurück ins schützende Nest gebracht. Keine Larve erreichte den Beckenboden, obwohl manchmal eine größere Anzahl von ihnen gleichzeitig aus dem Nest viel. Da zeigte sich, wie aufmerksam der Vater seine Brut beaufsichtigte. Zwischenzeitlich hatte ich mir von Jörg Vierke und Horst Linke Rat eingeholt, was es mit dem ungewöhnlichen Männchen auf sich hat. Jörg Vierke: „Sie haben ein kurzflossiges Männchen erwischt, es ist splendens! Solche Tiere fallen bei der Zucht von Schleierkampffischen schon gelegentlich an. Sie kommen den Wildformen und den Kampfrassen schon sehr nahe.“ Horst Linke: „Ihr Fisch ist zweifellos ein Betta splendens Männchen Zuchtform Grün Kurzflossen. Sie sind in Thailand bei den Züchtern sehr häufig. Das hat mit den Wildformen und Herkunftsgebieten nichts zutun. Sie sollten auf keinen Fall das „Langflossen“- und das grüne „Kurzflossen“ Männchen zusammen bringen.“ Horst Linkes Rat habe ich natürlich befolgt. Ich wusste zwar aus eigener Erfahrung und aus der Literatur, dass man mehrere Betta splendens-Männer nicht gemeinsam in einem Becken halten kann, aber die Aggresivität, die von meinem seltsamen Fisch ausging war dann doch ungewöhnlich.
Balz und Aufzucht
Zwei deutlich größere Weibchen har er gejagt, bis sie derart rampuniert waren, dass ich sie in ein anderes Becken umsetzen musste. Nur sein kleines wunderschönes Weibchen blieb wie durch ein Wunder unbeschädigt. Die Jungtiere der ersten Brut habe ich kurz vor dem Freischwimmen komplett mit einem Glas abgesaugt, um sie getrennt von den Eltern aufzuziehen. Das Glas lies ich in meinem Schaubecken schwimmen, um es auf richtiger Temperatur halten zu können. Als erstes Futter hatte ich einen Heuaufguss angesetzt, in dem sich bereits nach 24 Stunden unzählige kleiner Lebewesen entwickelt hatten. Leider ist mir das Glas ein paar Tage später beim Füttern untergegangen. Die Jungen waren verloren. Eine Enttäuschung aber kein großer Verlusst, da das verliebte Pärchen schon wieder Eier gelegt hatte. Dieses Mal lies ich die Jungen bei ihrem Vater. Er pflegte sie bis zum Freischwimmen und holte sie sogar noch einige Tiere ins Nest zurück. Das half aber nichts, sie schlichen sich irgendwann wieder davon. Auch zwei Wochen nach dem Schlüpfen schwammen die Jungtiere noch im Becken bei ihrem Vater herum, ohne das er sie attackierte. Die Kleinen machten auch keinerlei Anstalten ihrem eigentlich so aggressiven Vater aus dem Wege zu gehen. Trotz der bei ihm verbliebenen Jungtiere hielt der Kampffischmann sein Nest weiterhin in Bereitschaft. Das blieb dem Weibchen nicht unverborgen und so kam es, wie es kommen musste: die nächsten Eier wurden gelegt. Da fragt man sich dann schon, wie ein so kleines Weibchen so schnell hintereinander Eier legen kann. Trotz völlig ausreichender Fütterung mit Artemianauplien musste ich allerdings mit ansehen, wie die zwei Wochen älteren Jungtiere ihre frisch geschlüpften Geschwister auffraßen. Nun wurde mir das Risiko doch zu groß, dass der Vater die Jungen ernst nimmt und auffrisst, schließlich hatte ich gesehen wie er auf alles, was sich im Aquarium bewegt, losgeschossen ist, um es zu vernichten. Ich fing das Kamppfisch-Pärchen heraus und quartierte es in ein anderes eingefahrenes 25 Liter Becken ein. Dort änderte sich das Verhalten der Tiere schlagartig. Das Weibchen lässt sich deutlich häufiger blicken und schwimmt ihrem Mann in spitzbübischer Manier vor der Nase herum. Er lässt es geschehen und balzt sie nur noch von Zeit zu Zeit an.
Verhalten der Elterntiere
Ich bin mir sicher, dass sich das Verhalten der Tiere so verändert hat, weil in ihrem neuen Zuhause ein Hamburger Mattenfilter für andere Wasserverhältnisse sorgt. Insbesondere wegen der ständig bewegten Wasseroberfläche scheint dem Kampffischmann die Lust am Nestbauen vergangen zu sein. Dafür ist es jetzt recht schön mit anzusehen, wie das Pärchen harmoniert. Es gibt keinen Streit und keine Jagd. So unterschiedlich wie die Elterntiere in Form und Farbe auch sind, im Verhalten harmonieren sie sehr gut. Das Kampffischweibchen zeigt trotz mehrfachen Ablaichens innerhalb weniger Tage keinerlei Beschädigungen an den Flossen. Das freut auch den Züchter. Meist sind bei den Betta splendens die Weibchen etwas schmucklos, zu mindest im Vergleich zu den Männchen. Das lässt sich aber von diesem Prachtweibchen nicht behaupten. Die drei Wochen alten Jungtiere lassen sich äußerst schwierig fotografieren. Das Ergebnis ist dann auch eher enttäuschend als zufriedenstellend. Ich habe mich trotzdem entschlossen die Kleinen hier zu zeigen. Bei genauem Hinschauen erkennt man, dass die Tiere bereits Farbe bekommen. Die orangefarbenen kugelrunden Bäuche zeigen an, dass soeben mit Artemianauplien gefüttert wurde. Das ist ein Festschmaus für die Fische. Kampffische gehören zu den Labyrinthfischen, d.h. sie besitzen neben den Kiemen ein weiteres Atmungsorgan, das sogenannte Labyrinth. Dieses ermöglicht es ihnen, atmosphärischen Sauerstoff zu veratmen. Man kann sagen, die Labyrinthatmung ist eine Entwicklungsstufe von der Kiemenatmung zur Lungenatmung. Fische mit Labyrinth, insbesondere die Kampffische, sind dadurch in der Lage in sehr schmutzigem und extrem sauerstoffarmem Wasser zu leben. Andere Fische, also die ohne Labyrinth würden in solchem Wasser ersticken. Das Wasser benötigen die Labyrinthfische eigentlich nur um nicht auszutrocknen. Den atmosphärischen Sauerstoff aber brauchen sie zum Leben. Ohne diesen würden sie selbst in sauberem sauerstoffreichen Wasser ersticken. Die Gefahr, dass meine Zungfische doch noch von ihren Eltern gefressen werden, veranlasste mich dann doch Eltern und Jungtiere zu trennen. Die Elterntiere habe ich in ein anderes gut bepflanztes Aquarium umgesetzt. Der Umstand, dass dort das Wasser durch einen Hamburger Mattenfilter leicht bewegt und gereinigt wurde, behagte den Tieren gar nicht. Trotz einer nur leicht bewegten Wasseroberfläche machte das Männchen keinerlei Anstalten mehr, ein Nest zu bauen. Ein paar Taage später waren die Jungtiere schon etwas einfacher zu fotografieren. Da ich immer für ausreichend Futter gesorgt habe, wuchsen die Fische recht schnell. Viel Futter im Becken zu haben bedeutet allerdings, dass das abgestorbener Futter vom Vortag abgesaugt werden musste. Außerdem schwammen beide Tiere eher gelangweilt im Becken herum. Das Weibchen war im Gegensatz zu vorher fast ständig zu sehen. Die Fische nahmen kaum Notitz voneinander und ignorierten sich nahezu komplett. Dieser Zustand änderte sich etwa 24 Stunden nachdem ich den Hamburger Mattenfilter ausgeschaltet hatte. Jetzt begann alles wieder von vorn. Das Männchen baute ein dauerhaftes Nest. Die Tiere flirteten ständig und heftig miteinander aber wieder so, dass dem Weibchen keinerlei Schaden zugefügt wurde. Beide Fische bekamen wieder ihre tollen leuchtenden Farben und die schönen Flossenform wurden beim Balzen wieder zur Schau gestellt. Selbstverständlich waurden auch wieder Eier ind Nest gelegt. Also, alles bestens, so kann es weiter gehen!
Artemia-Nauplien als Erfolgsrezept
Die Jungtiere wachsen prächtig und bisher ohne nennenswerte Verluste heran. Teilweise haben sie schon prächtige Farben. Wöchentliches Saubermachen des Aufzuchtbeckens und reichlich Fütterung mit frisch geschlüpften Artemia-Nauplien sind das Erfolgsrezept. Allerdings beginnen die jugedlichen Männchen bereits zu raufen. Verletzungen gibt es dabei noch keine, aber ich muss jetzt Vorkehrungen treffen, dass die stärksten Männchen separiert werden um ungestört weiterwachsen zu können. Anderenfalls würde es dann vielleicht doch zu erheblichen Verletzungen kommen. Dem Verhalten ihres Vaters nach zu urteilen, neigt dieser Kamppfischstamm zu Aggresivität gegenüber ihren männlichen Artgenossen.
Auf der Rosenheimer Aquarienbörse habe ich die Elterntiere am 10.01.2010 an einen erfahrenen Aquarianer weitergegeben. Ich brauche den Platz für den Kampffisch-Nachwuchs. Durch die Weitergabe der Elterntiere hat außerdem auch ein anderer Aquarianer die Möglichkeit, die Tiere live zu erleben, die ich hier beschrieben habe. Sicherlich werden sie auch wieder Junge bekommen, die jemand heranwachsend sehen will.
Von den Jungtieren habe ich bereits ein paar an andere Aquarianer weitergegeben. Sie sehen jetzt aus wie kleine Edelsteine und schillern in allen möglichen Farben. Untereinander sind sie auch noch nicht agressiv. Mal sehen, wie lange ich sie noch zusammen lassen kann.
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