Lebendfutteralternativen für Aquarienfische

Am Freitag, den 28.05.2004 hielt Reimund Mahler einen Vortrag über seine Erfahrungen Lebendfutter selbst zu züchten.

Übersicht

Weiße, rote und schwarze Mückenlarven sind bei den meisten Aquarianern als Lebendfutter bekannt und sehr begehrt. Wasserflöhe, Cyclops und Bachflohkrebse, für größere Fische auch Libellenlarven, ergänzen das Lebendfutterangebot. Somit wäre eigentlich die Lebendfutterpalette vielseitig genug, obwohl sie an das Angebot in der Natur natürlich bei weitem nicht herankommt. Doch woher all diese Futtertiere nehmen?

Natürliche Biotope

Die Tümpel, in denen dieses Futter gefangen werden kann, werden immer weniger und verlanden auch immer mehr, weil sich niemand um sie kümmert. Viele Biotope sind für die Futterkescherei tabu, da Naturschützer eifersüchtig darauf achten, dass diesen niemand zu nahe kommt. Riskiert man dann doch einmal die Kescherei muß man u. U. mit Anzeige rechnen und das kann sehr teuer werden. Also greifen die meisten Aquarianer auf die tiefgefrorenen Futterarten zurück, die eine gute und die einzige Alternative zu sein scheint.

Doch welcher Aquarienfreund möchte seinen Pfleglingen nicht hin und wider echtes Lebendfutter zukommen lassen. Denn eines ist sicher: Einen hundertprozentigen Ersatz für echtes Lebendfutter gibt es nicht und es dürfte ebenso unstrittig sein, dass Fische, die mit Lebendfutter ernährt werden, eine größere Vitalität besitzen und williger zur Fortpflanzung schreiten, als solche, die ausschließlich mit Ersatzfutter versorgt werden. Züchter von Zierfischen befassen sich schon seit Jahrzehnten mit der Futtertierzucht für Jungfische. Es seien nur Infusorien, Mikrowürmchen, Grindal usw. erwähnt.

Mögliche Futtertier-Arten

Warum dann nicht auch Futtertierzuchten für adulte Fische? Es ist viel leichter und ergiebiger als man denkt. Als Terrarianer, der sich mit der Haltung und Zucht von Pfeilgiftfröschen befasst, war es für mich nie ein Thema an Ersatzfutterarten zu denken, da diese Frösche nur sich bewegendes Futter als solches erkennen. Bereits in den sechziger Jahren, als ich mich als einer der ersten in Deutschland mit Killifischen beschäftigte, züchtete ich für diese Killifische die kleine Frucht-, oder Essigfliege Drosophila melanogster als Futter und hatte damit für die damalige Zeit großartige Zuchterfolge bei den Killifischen.

Doch nicht nur die kleine Essigfliege kommt als Futtertier in Frage. So stellt die Fruchtfliege Drosophila hydei ein hervorragendes Futter für alle frei schwimmenden Fischarten dar, es wird sehr gut von den Fischen angenommen und ist leicht und in jeder gewünschten Menge für jeden Zeitpunkt züchtbar.

Ein weiteres, leicht züchtbares Futter sind Springschwänze, die zur Gattung der Colemboden gehören und in Laubböden vorkommen. Gelegentlich findet man sie als „Ungeziefer“ in Blumentöpfen, in denen sie nicht sehr willkommen sind, da sie den Wurzeln der Pflanzen erheblichen Schaden zufügen können. Diese Springschwänze sind ein ausgezeichnetes Futter für alle Salmler und kleineren Barbenarten sowie für alle anderen Fische in dieser Größenordnung, da sie in Größen von 0,5 bis 2,5 mm zur Verfügung stehen, ja sogar von Diskus und Scalaren werden die ausgewachsenen Tiere gierig gefressen. Natürlich sind sie als Aufzuchtfutter für frei schwimmende Jungfische geradezu prädestiniert. Springschwänze bieten zudem noch den Vorteil, dass man seine Aquarienbewohner über das den Springschwänzen verabreichte Futter mit Vitaminen und Spurenelementen versorgen kann, da diese kein Larvenstadium durchlaufen, bei dem diese im Futter enthaltenen Stoffe verbraucht werden. Alle drei genannten Futtertiere sind leicht und in großen Mengen bei normaler Zimmertemperatur züchtbar.

Drosophila melanogaster

Beginnen wir mit der kleinen Frucht- oder Essigfliege, Drosophila melanogaster. Diese vermehrt sich sehr stark und hat bei einer Temperatur von ca. 23 -25 Grad Celsius einen Entwicklungszyklus von etwa 12-14 Tagen. Man kann den Zuchtansatz ganz einfach fangen, indem man im Spätsommer ein Einmach- oder Marmeladenglas einige Millimeter mit zerdrückten Bananen füllt, etwas Holzwolle als Kletterhilfe darübergibt und ans Fenster, Balkon oder Terrasse stellt. Die kleinen Fliegen stellen sich sehr bald durch den Bananengeruch angezogen ein, und legen Ihre Eier hinein. Nach einigen Tagen wird das Glas mit feiner Gaze oder Küchenpapier, auch Damenstrümpfe sind geeignet, verschlossen. Nach ca. 1 Woche wimmelt es in dem Bananenbrei geradezu vor Maden, die, wenn man sie auswäscht bereits ein hervorragendes lebendes Fischfutter darstellen. Man kann natürlich auch warten bis sich die Maden verpuppen und die Fliegen schlüpfen.

Soweit zur Theorie. Kommen wir nun zur Praxis. Denn bei dem Umgang mit den Fliegen wollen ein paar Kleinigkeiten beachtet werden, wenn man die Fliegen nicht freifliegend in der Wohnung haben möchte. Die beste und einfachste Art mit diesem Problem umzugehen ist, sich von einem Terrarianer oder im Fachgeschäft einen Zuchtansatz der Vestigalform zu beschaffen. Dies ist eine durch Zuchtauslese in Biolabors entstandene Stummel- bzw. verdrehtflügelige Art und daher Flugunfähig, was das Handling ungemein vereinfacht.

Zuchtbehälter und Futterbrei

Als Zuchtbehälter verwende ich Plastikdosen von 500 ml. Inhalt, wie sie im Lebensmittelhandel für Fleisch- und Kartoffelsalat verwendet werden. Diese sind leicht im Gastronomie Großhandel für wenige Cent zu erhalten. Der zugehörige Deckel wird mit einer Nadel o. ä. durchlöchert damit ein Luftaustausch stattfinden kann. Auf den Boden dieser Dose kommt der Futterbrei ca. 1 cm hoch. Dieser Brei kann leicht hergestellt werden indem man Haferflocken aufkocht und nach dem erkalten dem Brei etwas Fruchtmus, Apfel, Banane etc. und ein etwa Haselnussgrosses Stück Backhefe, hinzugibt. Darauf kommt wieder als Kletter und Verpuppungshilfe etwas Holzwolle. Nun wird die verschlossene Dose, nachdem man einen Zuchtansatz von ca. 50 Fliegen dazu gegeben hat, an einem 20 – 25 Grad Warmen Ort aufgestellt.

Diese Methode bringt große Mengen an Fliegen hervor. Sie hat jedoch zwei Nachteile. Diese sind zum einen die umständliche Zubereitung des Futterbreies und zum Anderen riecht es nach einigen Tagen sauer, da der Futterbrei gärt. Dieser Gärprozess ist jedoch notwendig weil dabei Hefezellen entstehen, die den Maden als Nahrung dienen.

Instant-Futter ohne Geruchsbelästigung

Mir war diese Prozedur der Futterbreizubereitung und der Geruchsbelästigung irgendwann zu viel und ich fasste den Entschluss, ein fertiges Futter zu entwickeln, das diese Nachteile nicht aufweist. So entstand in mehrjähriger Arbeit und unzähligen Praxisversuchen ein Instantfutter, das einfachst zu handhaben ist und die Geruchsbelästigung auf ein Minimum beschränkt. Dieses Instant-Pulver wird einfach 1:1 mit kaltem Wasser angerührt und in den Behälter eingefüllt. Das weitere Verfahren ist wie bereits erwähnt.

Drosophila hydei

Die Zucht der großen Fruchtfliege Drosophila hydei verläuft ebenso wie bisher bei Drosophila melanogster beschrieben und ist ebenso ertragreich. Jedoch ist es ratsam bei dieser Art größere, ca. 1000 ml fassende Zuchtbehälter zu wählen, denn immerhin ergibt ein Zuchtansatz von ca. 50 Fliegen, 1500 bis 2000 Fliegen, die dann in dem Behälter Platz und Luft haben müssen. Die Verfütterung beider Arten ist ganz einfach. Handelt es sich um vestigale, also flugunfähige Populationen, können diese direkt auf die Wasseroberfläche gegeben werden. Bei flugfähigen Formen ist es ratsam sich aus Karton oder aus Stabilitätsgründen noch besser Sperrholz,  eine kleine „Dunkelkammer“ zu bauen.

In diese gibt man die Fliegendose, die im Deckel ein entsprechendes Loch von ca. 15 mm aufweist, welches mit einem Schaumstoffpfropfen verschlossen ist. Der Pfropfen wird vorher entfernt und man dunkelt sie ab. Vorher sollte man natürlich nicht vergessen auf das Röhrchen ein Reagenzglas o. ä. zu stecken. Da die Fliegen sofort dem Licht zustreben, ist dieses Röhrchen bald gefüllt. Nun braucht man es nur abnehmen, etwas Wasser hinzugeben und kräftig schütteln. Durch diese Prozedur werden die Fliegen für längere Zeit flugunfähig und können nun auf die Wasseroberfläche gegeben werden, wo sie von den Fischen gierig gefressen werden.

Zucht von Springschwänzen

Die Zucht der Springschwänze ist fast noch einfacher als die der Fliegen und mit wesentlich weniger Zeitaufwand verbunden. Als Zuchtbehälter eignen sich Plastikgefäße jeder Art mit ca. 1 Liter Fassungsvermögen mit dicht schließendem Deckel. Ich verwende Dosen aus dem Metzgereibereich in denen normalerweise Kartoffelsalat angeboten wird. Diese sind im Metzgerei und Gastronomiebedarfshandel für wenige Cent erhältlich und bieten den Vorteil der Stapelfähigkeit. Als Substrat kann halb zersetztes Laub, Rindenmulch, Torf  oder ein Gemisch aus diesen Stoffen verwendet werden. Ich habe die verschiedensten Substrate ausprobiert und mich letztlich für den in unserer Region vorkommenden Schwarztorf entschieden, da dieser Geruchsneutral ist, die Feuchtigkeit gut hält, leicht zu beschaffen ist. Die Springschwänze kommen damit sehr gut zurecht.

Das Kulturgefäß wird damit etwa 3 cm hoch gefüllt und dann mit einem ordentlichen Zuchtansatz Springschwänzen versehen. Dieser Zuchtansatz sollte nicht zu wenig Tiere enthalten, da die Kultur sonst zu lange benötigt bis sie „in die Gänge“ kommt. Gefressen wird von den Springschwänzen alles organische, denn sie sind Moderfresser. Nachdem ich von Fischfutter über Champions, Maismehl, Haferflocken und noch andere Futterarten alles mit mehr oder weniger Erfolg ausprobiert habe, entschloss ich mich ein spezielles Futter zu entwickeln. Dieses sollte vor allem preiswert, leicht zu handhaben und möglichst Gehaltvoll sein, um den damit ernährten Terrarienbewohnern möglichst viel an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen zukommen zu lassen. Die Idealvorstellung war, dass dieses Futter die Vermehrungsfreude der Springschwänze auch noch positiv beeinflusst. Nach umfangreichen Literaturstudien, Internet-Recherchen und Gesprächen mit anderen Liebhabern entstand dann wiederum in zahlreichen Versuchen ein „Spezial“ Springschwanzfutter mit vielen Inhaltstoffen das leicht zu handhaben war, von den Springschwänzen gut angenommen wurde und deren Vermehrungsfreude tatsächlich positiv beeinflusst.

Hier das Rezept des Springschwanzfutters:
Rohprotein 28 % Vitamin A 12.000 lE Panthotensäure 7,5 mg
Rohfett 11 % Vitamin D3 1.200 IE Eisen 80 mg
Rohfaser 3 % Vitamin E 45 mg Zink 80 mg
Rohasche 7,5 % Vitamin B1 3 mg Kupfer 8 mg
Calzium 1,4 % Vitamin B2 3 mg Jod 2 mg
Phosphor 0,9 % Vitamin B6 2,5 mg Selen 0,15 mg
Natrium 0,4 % Vitamin B12 45 mg
Magnesium 0,15 %

Und nun wünsch ich euch viel Spaß und Erfolg beim Lebendfutterzüchten und euren Pfleglingen guten Appetit und bestes Gedeihen.

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